Kakao als Nahrungs- und Genussmittel.

Stand der Forschungen


Vor den ernährungsphysiologischen Vorzügen der Kakaobohne, die weiter unten näher erläutert werden, stehen ihre sinnlichen Qualitäten. Zu den hunderten von Aromen, die das Geschmackserlebnis entfalten, treten noch Substanzen, die direkt auf das Nervensystem wirken und für die anregende und stimmungsaufhellende Wirkung verantwortlich sind. Die Kakaobohne ist wie Tee oder Kaffee eine milde pflanzliche Droge. Sie ist dies aber auch im Sinne einer Heilpflanze und medizinisch relevante Inhaltsstoffe von Kakao und Schokolade erfreuen sich eines breiten wissenschaftlichen Interesses, das beständig neue Erkenntnisse über die Wirkung und Besonderheit der Bohne vermittelt.


Anregende und stimmungsaufhellende Wirkung von Kakao.

 

Versucht man dem Gemeinplatz „Schokolade macht glücklich“ wissenschaftlich auf den Grund zu gehen, so zeigt sich Kakao als eines der komplexesten Lebensmittel. Beginnen wir mit Anandamid. Der nach dem schönen Sanskritwort für „reines Glück“ benannte Neurotransmitter wird vom menschlichen Nervensystem selbst gebildet und bindet dort an die Rezeptoren des Endocannabinoid-Systems. Hier wird Einfluss vor allem auf diejenigen Hirnregionen genommen, die mit der Verarbeitung von Wahrnehmung, Gedanken und Bewegung verbunden sind.

 

Pflanzliches Anandamid wurde bisher nur in Kakao gefunden. Die Substanz ist bei oraler Aufnahme wirksam, im Gehirn wird sie schnell abgebaut, die Wirkung ist nach einer halben Stunde vorbei. Zeit genug für weitere Stimulanzien um wirksam zu werden. Obwohl der Koffeingehalt der Kakaobohne sehr gering ist, wird sie fast unvermeidlich mit Kaffee oder Tee verglichen. Der Vergleich hinkt, denn Koffein kann nur eine Nebenrolle bei der Anregung spielen, die beim Kakao vor allem vom Theobromin (griech. Speise der Götter) getragen wird. Theobromin entfaltet seine anregende Wirkung milder, dafür aber lang anhaltend und zudem stimmungsaufhellend. Neben den psychoaktiven Eigenschaften wurden auch andere pharmakologische Wirkungen untersucht. Eine Zeit lang war Theobromin z.B. wegen seiner herzstimulierenden Effekte in Dtl. auch Bestandteil von Medikamenten, die medizinischen Qualitäten spielen aber neben den psychoaktiven im Moment keine Rolle.

 

Kakao enthält weitere Substanzen, die dem menschlichen Hirn als Neurotransmitter dienen, etwa Phenethylamin, Serotonin und Dopamin. Ersteres wird äußerst rasch verstoffwechselt, im Gehirn beträgt seine Halbwertszeit etwa 30 Sekunden und höhere Konzentrationen als im Kakao vorhanden wären nötig, um eine merkbar berauschende Wirkung zu entfalten. Serotonin und Dopammin, die  als „Glückshormone“ gerne zur Erklärung des Schokoladenglücks herangezogen werden, kommen gar nicht über die Blut-Hirn Schranke und können somit auch nicht zur Anregung des Nervensystems beitragen.

Eine bedeutsamere, wenn auch indirekte Rolle kann die reiche Versorgung mit Thyrosin und Phenylalanin spielen. Die Aminosäuren, die in Kakao reichlich vorhanden sind, dienen als Vorstufe der Biosynthese von Adrenalin, Noradrenalin, L-Dopa oder Dopamin. Fälschlicherweise wird auch Phenylalanin zur Erklärung des stimmungshebenden Effektes bemüht. Phenylalanin besitzt schmerzstillende und antidepressive Wirkungen, allerdings nur als synthetisches D/L-Phenylalanin, das natürlich vorkommende L-Phenylalanin der Kakaobohne ist in diesem Fall lediglich Nährstoff.

 

Bleiben die zahlreichen Polyphenole, von denen wir bisher nur in wenigen Fällen genauere Strukturen und Wirkmechanismen kennen. Auch in dieser Substanzgruppe finden sich Moleküle, die die Blut-Hirn-Schranke überwinden und zentralaktiv werden können. Man vermutet, dass sie für die Steigerung der Denkleistungen nach dem Genuss von dunkler Schokolade verantwortlich sind. Interessanterweise nimmt die Signifikanz der

Leistungssteigerung mit dem Alter der Schokoladenesser zu.


Medizinische Aspekte – das Superfood schlechthin

 

Die Wirkungsweise und Bedeutung von Antioxidantien, die über die Nahrung aufgenommen werden, ist in den vergangenen Jahrzehnten in kaum noch überschaubarer

Weise Gegenstand der Forschung geworden. Kakao wird beim Gehalt an Antioxidantien nur von einigen Gewürzen, etwa Nelken übertroffen. Als Bohne überragt er alle sogenannten Superfoods (Nahrungsmittel mit besonders hohem Gehalt an Nährstoffen und Antioxidantien). Zahllose Angaben zur Gesundheit von Kakao und anderen Lebensmitteln beziehen sich auf die mögliche Verallgemeinerung von Studien zu Antioxidantien die auch in Kakao enthalten sind. Gleiches gilt für die gesundheits-fördernden Wirkungen von Flavonolen, die ebenfalls in großer Zahl und Menge in Kakao enthalten sind und keinesfalls weniger bedeutsam als die Antioxidantien sind.

 

Aussagekräftiger sind Studien, die mit Rohkakao oder dunkler Schokolade durchgeführt wurden. Wegen der Komplexität der Stoffmischung sind Rückschlüsse auf Mechanismen oder Kausalzusammenhänge hier nur sehr begrenzt möglich. Es lassen sich aber folgende Schwerpunkte der gesundheitsfördernden Wirkungen ermitteln.

 

  • senkt die Bildung von LDL-Cholesterin und Triglyzeriden (Antioxidantien)
  • senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Flavonole)
  • schützt die Haut vor den Wirkungen der Sonneneinstrahlung (Antioxidantien)
  • senkt den Blutdruck (Flavonole)
  • verbessert die Insulinsensitivität, Diabetesvorsorge (Antioxidantien)
  • verbessert die Gefäßfunktion (Flavonole)
  • senkt Entzündungen im Darm und verbessert die Darmflora (Antioxidantien)

 

Das bekannteste Flavonol der Kakaobohne ist Epicatechin. Berühmtheit erlangte es durch den ausgeprägten Kakaokonsum der Kuna, Einwohner von Guna Yala sowie den Harvard-Professor Norman Hollenberg. Der verglich vier Jahre lang die Sterberegister der Kuna mit denen ihrer panamesischen Nachbarn, die keine Kakaofetischisten waren, sondern einen eher „westlichen Lebensstil“ pflegten. Die Ergebnisse waren verblüffend. An vier der fünf häufigsten Krankheiten der zivilisierten Welt (Hirnschlag, Herzinfarkt, Krebs und Diabetes) starben weniger als 10 Prozent der Kuna. Hollenberg zog daraus den eher kühnen Schluss, dass sich die Zivilistionskrankheiten durch Epicatechin auf unter zehn Prozent verringern lassen. Vermutlich sind auch andere Faktoren wie der Lifestyle der Kuna oder Herrn Hollenberg damals nicht bekannte weitere Inhaltsstoffe der Kakaobohne an den Fakten beteiligt gewesen. In der Folge kam es aber zu einer eingehenden Erforschung der Kakao-Flavonole (und neuerdings auch der Flavanole). Der Zusammenhang zwischen Mortalität durch kardiovaskuläre Erkrankungen und dem Konsum flavonolreicher Kakaoprodukte kann inzwischen als gesichert gelten.

 

Auch zum Mechanismus gibt es neue Erkenntnisse. Kakao-Flavonole verbessern die Funktionen der endotheliale Zellschicht der Blutgefäße, die wesentlich für die Vermeidung von Herz-Kreislauferkrankungen sind. Auch die Steigerung der Mikrozirkulation, sowohl subkutan als in der Haut lässt sich auf Flavonole zurückführen. Des weiteren lässt sich

eine Schutzwirkung gegenüber UV-Belastung und eine Verbesserung kosmetisch relevanter Hautparameter beobachten.

 

Eine mit der Kuna-Studie vergleichbare Forschungsanekdote gibt es auch in Sachen Antioxidantien. Eine europaweit durchgeführte Untersuchung führte zu dem Befund, das in bestimmten Gegenden Frankreichs die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs signifikant niedriger lag als der europäische Durchschnitt. Der Lifestyle der Leute gab zu derlei Ergebnissen keinen Anlass, es wurde fett gegessen und viel geraucht und getrunken. Der Tatbestand wurde als French-Paradox bekannt. Schnell verfiel man auf eine genauere Untersuchung des roten Weines und förderte dabei die sagenhaften Eigenschaften antioxidativer Pflanzenfarbstoffe zu Tage.

 

Besondere Aufmerksamkeit erhielt bald eine Substanz namens Resveratrol, die als ursächlich für das French-Paradox angesehen wurde. Wenig später wurde Resveratrol auch in Kakaobohnen entdeckt. Über kaum einen sekundären Pflanzenstoff wurde in den letzten Jahren soviel publiziert wie über Resveratrol. Inzwischen gibt es eine Fülle von Studien, die sich mit den gefäßprotektiven, antikarcinogenen und weiteren, zum Teil sehr speziellen Eigenschaften von Resveratrol beschäftigen. Besonderen Auftrieb haben die Forschungen durch die neuerdings wieder forcierte Kolonisation des Mars erhalten. Mäuse, die für die Zeitdauer der Anreise zum Mars in Schwerelosigkeit mit der entsprechenden kosmischer Strahlung traktiert wurden, hatten zum Ende des Versuch zu 90% Darmkarzinome entwickelt. Ein trauriger Umstand, der auch menschlichen Raumfahren droht. Die Gabe von Resveratrol scheint die Entwicklung der Karzinome bei den Mäusen aufzuhalten, auf alle Fälle forscht jetzt auch die NASA an Kakaobestandteilen.

 

Zusammenfassend lassen sich die Wirkungen von Resevatrol wie folgt beschreiben:

 

  • Gefäßschutz durch Unterbindung der LDL-Peroxidation, die ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu arteriellen Plaques darstellt.
  • Gefäßschutz durch Hemmung der Thrombozytenaggregation.
  • Die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke ermöglicht die allgemeinen antioxidativ-neuroprotektiven Wirkungen von Reveratrol.
  • Dazu kommen Hinweise auf spezielle Mechanismen wie die Beschleunigung des Beta-Amyloid Abbaus, der den wichtigsten pathogenen Faktor der Alzheimer-Demenz darstellt.
  • Die vielfältigen positiven Wirkungen des Polyphenols auf sehr unterschiedliche Krankheitsbilder lassen sich zu einem nicht unerheblichen Teil mit seiner ausgeprägten antiinflammatorischen Wirkung erklären.
  • in Krebszellmodellen übt Resveratrol inhibitorische Effekte auf alle drei Stadien der Karzinogenese (Initiation, Promotion und Progression) aus.
  • Resveratrol ist ein potenter Apoptose-Induktor, es kann in verschiedenen Tumormodellen den plötzlichen Zelltod durch TNF (Tumornekrosefaktor) auslösen.

 

Während Resveratrol in Zellkulturen und Tiermodellen vielversprechende Wirkungen zeigt, stehen aussagekräftige Humanstudien erst am Anfang. Unter anderem läuft gerade die COSMOS- Studie (COcoa Supplement and Multivitamin Outcomes Study), welche über einen Zeitraum von 5 Jahren 18.000 Männer und Frauen in den USA erfassen wird. Hier hofft man mit der täglichen Einnahme von Kakao-Flavanolen und Multivitaminen das Risiko von Herzkreislauferkrankungen und/oder Krebs zu verringern.

Als letzte Besonderheit des Resveratrols sei hier seine Eigenschaft als CR-Mimetikum erwähnt. Die Kalorienrestriktion (CR) gehört zu den am längsten bekannten, am besten untersuchten und umfassend dokumentierten Therapieansätzen der Anti-Aging-Medizin. Bis heute ist sie die einzige interventionelle Maßnahme, für die experimentell eine tatsächliche Lebensverlängerung nachgewiesen werden konnte. Resveratrol hat auf unterschiedliche Organismen die gleiche lebensverlängernde Wirkung wie eine anhaltende Kalorienrestriktion.

 

Anhang 1

Die neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse veranlassten die Zeitschrift Nature, die Behauptung, dass freie Radikale eine schnellere Alterung bewirkten und diese Wirkung durch Antioxidantien verhindert werden könne, als Mythos zu bezeichnen. „Die Vorstellung von Oxidation und Altern wird von Leuten am Leben gehalten, die damit Geld verdienen.“[19] Als Vitamine oder Vorstufen von Vitaminen haben die Antioxidantien beta-Carotin, Vitamin A, Vitamin C und Vitamin E demzufolge, von der Vorbeugung heutzutage extrem seltener Mangelerscheinungen abgesehen, keinerlei erwiesene Rolle für die menschliche Gesundheit. Vielmehr bewirkt die nahrungsergänzende Zufuhr von Vitamin E sowie Vitamin A und dessen Carotinoid-Vorstufen beim Menschen eine gesteigerte Entstehung von Krebs sowie eine Verringerung der Lebenserwartung[20][21], während Vitamin C als Supplement bestenfalls wirkungslos ist.

Die Beurteilung polyphenolischer Pflanzeninhaltsstoffe dagegen ist in diesem Zusammenhang deutlich besser gesichert, und die wissenschaftliche Beweislage für die gesundheitsfördernde Wirkung bestimmter Polyphenole, besonders der im Tee, Kakao, Beeren und Rotwein vorkommenden Flavanole, hat sich in den letzten Jahren verstärkt.[22][23][24][25] Dies scheint aber nicht damit in Verbindung zu stehen, dass diese Substanzen antioxidative Eigenschaften in vitro besitzen.[26] Ein Expertengutachten geht davon aus, dass die antioxidative Kapazität, welche die Polyphenole und Flavonoide in vitro zeigen, kein Messwert für deren Wirkung im menschlichen Körper ist.[26] Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) schloss sich dieser Einschätzung weitgehend an.[27][28]


Anhang 2

Frische unfermentierte Kakaobohnen enthalten 15-20% lösliche Polyphenole und noch etwa 6-8% sind nach der Fermentation enthalten (Angaben für fettfreie Trockenmasse) (Cooper et al., 2007; CrozierS.J.et al., 2011). Phenolische Verbindungen in Kakao sind hauptsächlich von Flavanolen geprägt. Weitere Verbindungsklassen sind N-Phenylpropenoyl-L-Aminosäurenund Quercetinglykoside.

Polyphenole in Kakaobohnen

   Flavanole

        Epicatechin

        Catechin

        Procyanidin Dimer B2

       Procyanidin Dimer B5

       Procyanidin Trimer C1

       Procyanidin Trimer 1a

       Procyanidin Tetramer

   N-Phenylpropenoyl-L-Aminosäuren

       trans-Kaffeesäureaspartat

       trans-p-Coumarsäureaspartat

       trans-Ferulasäureaspartattrans-Kaffeesäurehydroxytyrosin

       trans-Kaffeesäuretyrosintrans-p-Coumarsäurehydroxytyrosin

       trans-p-Coumarsäuretyrosin

   Quercetinglykoside

        Quercetinglucosid

        Quercetingalactosid

        Quercetinarabinosid

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